wildezeiten

Über die neue Umverteilung

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Gelesen: Atlas Shrugged von Ayn Rand


Ayns Welt in Atlas Shrugged ist beruhigend einfach strukturiert. Es wurde in den USA im Jahre 1957 veröffentlicht, ein Jahr nachdem der McCarthyismus, die politische Verfolgung von angeblichen Kommunisten in den USA offiziell beendet wurde. Dieses Kolossalwerk gilt als Paradestück des ungehemmten Kapitalismus. Viele derjenigen, die darauf vertrauen, dass es der Markt schon irgendwie richten wird, haben diesem tausendundeinseitigen Roman einen Ehrenplatz in ihrem Regal verliehen. Unter den prominenten Anhängern des laissez -faire Kapitalismus ist z. B. Allan Greenspan, ehemaliger Chef der Fed. Greenspan warb für komplette Deregulierung des Derivatemarktes, drückte den Leitzins auf lächerliches Niveau um die Folgen der geplatzten Dot-Com-Blase zu bekämpfen, mit dem Ergebnis, dass Investoren (darunter auch Ihre Kapitallebensversicherung oder Pension, lieber Leser) im verzweifelten Versuch nach Rendite ihr Glück in Produkte suchten, die sie nicht durchschauten. Auch Frank Schäffler ist ein großer Fan. Daher habe ich mich dazu aufgerafft, diese Bibel der Marktverehrer endlich auferksam zu lesen.

In Ayns Werk gibt es nur zweierlei Menschen. Auf der einen Seite gibt es die Leistungsträger: Geniale Unternehmer mit Tendenz zum Micromanagement, geniale Ingenieure oder immerhin engagierte BWLer, die ihr allerbestes geben. Sie sind physisch an ihrem festen Blick und ihrer hageren Figur zu erkennen. Die genialen Unternehmer, die eigentlichen Helden in Ayns Welt, leben ausschließlich für ihre Arbeit und deren Entlohnung, Entlohnung ausschließlich in Geld, natürlich. Undank ist natürlich auch ihr Lohn, aber dazu mehr später. Natürlich haben sie alle einen süperben Arbeitsethos, denn sie sind nie versucht, zu mogeln, zu bestechen oder einzuschüchtern. Es ist zudem allgemeiner Konsenz, dass ihre Produkte ganz toll und unentbehrlich sind, so dass ihr Erfolg ausschließlich eine Funktion ihrer hervorragenden Leistung ist. Glück spielt zu keiner Zeit eine Rolle.

Auf der anderen Seite stehen die Schmarotzer – faule Menschen, die aufgrund ihrer Trägheit und Mittelmäßigkeit arm sind. Sie sind zu erkennen am glasigen Blick, wabbligen Gesichtzügen und pummeliger Figur. Statt sich auf den Hosenboden zu setzen und ihr karges Brot durch ehrliche Arbeit zu verdienen oder selbst geniale Unternehmen zu errichten, stellen diese Blutegel der Gesellschaft auch noch Ansprüche an die geplagten Helden. Sie verlangen Almosen, finanziert durch Steuern- infame Enteignung in Ayns Welt!

Rands Haltung zum Sozialstaat und zu Verlierern der Marktwirtschaft drückt sie am prägnantesten in der Figur des Piraten Ragnar Danneskjöld aus. Ragnar D verweigert der Gesellschaft sein Leistungsvermögen und widment sich stattdessen der Piraterie. Er kapert Schiffe, die Hilfsgüter an die Volksrepubliken Europas liefern sollen. Den Erlös verkauft er auf dem Schwarzmarkt gegen Gold,das er an Reiche zurückgibt als Entschädigung für Einkommenssteuer. Hier Auszüge aus Ragnars Monolog:

Robin Hood [..] He was the man who robbed the rich and gave to the poor. Well, I’m the man who robs the poor and gives to the rich – or, to be exact, the man who robs the thieving poor and gives back to the productive rich. […]But I have seized every loot carrier that came within range of my guns, every government relief ship, subsidy ship, loan ship.. every vessel with cargo of goods taken by force from some men for the unpaid, unearned benefit of others.[…]He [Robin Hood] is remembered, not as a champion of property, but as the champion of need, not as the defender of the robbed, but as the defender of the poor. […]Until men learn that of all human symbols, Robin Hood is the most immoral and the most contemptible, there will be no justice on earth and no way for mankind to survive.

Robin Hood als schlimmstes Symbol aller Zeiten? Menschen, die vor dem Nationalsozialismus flüchten mussten, sind da vielleicht anderer Meinung.

In Ayns Welt werden die Leistungsträger durch Steuern uns Regulierungen erstickt. Man mag da an Regulierungen wie etwa Grundwasserschutz, Regulierung von Atomkraftwerken oder Regulierungen in der Pharmaindustrie denken. Alles Boshaftigkeiten, ersonnen von Schmarotzern, die den Leistungsträgern übelst mitspielen. Dem soll endlich ein Ende gesetzt werden. Die Unternehmer beschließen, zu streiken. Erwartungsgemäß bricht natürlich die Welt zusammen, weil das gemeine Volk, die 99% ,im heutigen Jargon, zu trottelig sind, um auch nur den simplesten Schienenverkehr zu organisieren.

Der Roman ist ein gelungenes Propagandastück für alle diejenigen, die jede Form von sozialer Solidarität ablehnen. Egoismus ist explizit erwünscht. Einzige Überraschung für mich war der Sex. Es wird zwar nichts im Detail beschrieben, schließlich befinden wir uns mitten in den Fünfzigern, aber immerhin treibt es die Heldin Dagny mit drei Kerlen parallel, davon einem verheirateten.
Das gehört für mich auf jeden Scheiterhaufen eines sozial Konservativen, der seinem Fanatismus treu bleiben will.

Sofern man nicht von animalischem Hass auf Sozis geplagt ist, wie etwa die Autorin selbst, die über die Enteignung ihrer Eltern durch die Revolutionen in Russland offenbar nie hinweggekommen ist, bereitet das Lesen Langeweile und Schmerzen.Ich habe mich über mehr als 1001 Seiten lang gequält. Dennoch muss ich sagen, dass ich aus der Lektüre lebenswichtige Erkenntnisse gewonnen habe. Ich glaube, Joseph McCarthy lebt heute noch, zumindest in den zornigen Herzen seiner wachsenden Anhängerschaft. Sollte dieses Opus auch in Europa respektablen Status erreichen, werden auch hier Menschen, die keine Berührungsängste mit sozialistischen Ideen haben, als Perverse gebrandmarkt.Wenn es soweit gekommen ist, sollte sich niemand damit entschuldigen, er habe es nicht gelesen.

Buchtipp


Wenn die Realität Sci-Fi einholt

Wenn ein Autor in einem Roman über die Occupy-Proteste in New York schreibt, dann ist es zunächst nicht ungewöhnlich. Wenn es sich jedoch um einen Science-Fiction Roman handelt, der Ende 2010 publiziert wurde, dann wird es spannend. Der Roman „Super Sad True Love Story“ von Gary Shteyngart kommt zunächst ganz witzig und harmlos daher. Er plaudert im Stil von Tagebüchern, SMS und Facebook-Posts über die Liebesbeziehung zwischen einem 39-jährigen Intellektuellen (im NY der Zukunft gilt bereits als intellektuell, wer Bücher in die Hand nimmt und liest) und einer zwanzigjährigen.
Global Teens
Shteyngart spielt glaubhaft mit erfundenen Markennamen wie „AssLuxury“ für Mode oder „Global Teens“ für Facebook. Global Teens sind allerdings nicht die zwanzigjährigen Figuren, die man wegen ihrer unbedarften Sprache leicht unterschätzt, sondern die älteren, die sich mit aller Gewalt weigern, erwachsen zuwerden. Wider Erwarten sind es nicht die belesenen, die Hirn und Herz zeigen.  Das Ende ist recht bitter, und man drückt die Daumen, dass es nie eintritt.

Ein Buch, das ich nur empfehlen kann: Gary Shteyngart Super Sad True Love Story

Und hier ein sehr unterhaltsames Interview mit dem Autor. Mein Lieblingszitat: „Kauft keine US-Treasuries, kauft möglichst viele meiner Bücher und lagert sie in einer modrigen Lagerhalle.“

Medien versagen


Das Jahr 2012 hat mit einem Knall begonnen, und

…niemand auf dieser Seite des Atlantiks hat es gemerkt. Der amerikanische Präsident hat zum Auftakt dieses Jahres Ermächtigungsgesetze unterschrieben, und niemand berichtet darüber. Kommentarlos möchte ich auf folgende Links verweisen, auf englisch und auf deutsch.
Niedlicher Wulff
Wir können nicht beeinflussen, was in anderen Ländern geschieht, wohl aber können wir verhindern, dass uns ähnliches widerfährt. Unsere Großeltern haben es zugelassen – wir sollten es besser wissen. Leider leisten die Medien nicht das, was sie leisten sollten.
Diese Neuauflage der Ermächtigungsgesetze sollte neben den Berichten über Wulff auf der ersten Seite jeder nenneswerten Zeitung stehen. Leider Fehlanzeige! Gerne würde ich auch lesen, dass Wulffs Verhalten gar nicht so ungewöhnlich ist. Er ist nur dumm aufgefallen. Das ist das eigentliche Problem.

Was nun?

Rundfunk und Zeitungen verfolgen offensichtlich andere Interessen, oder besser gesagt die Interessen Anderer. Auch hier – Murdoch ist nur dumm aufgefallen. Es ist müßig, darüber zu jammern.
Ich frage mich, wie man seine eigene Presse – und Blogschau zusammenstellen kann, ohne ein Heer an Rechsberatern anheuern zu müssen. Eine Nachrichtenschau, die sich respektiert, sollte Fakten und Meinungen fern der ideologischen, kulturellen und nationalen Grenzen zusammentragen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Lebensbedingungen in Europa in diesem Jahr verändern werden, machen die Frage nach der Verteilung echter Information zur Überlebensfrage, zumindest für unsere Demokratie.

An die Leser

Der Autor ist selbst ratlos und würde Anregungen und Kommentare zum Thema alternative Medien – oder genauer gesagt Nachrichtenamalgamierung im Netz – sehr begrüßen.
Wie bastele ich eine Seite wie Drudgereport.com zusammen, möglichst mit mehrsprachigen Quellen, ohne Copyrights zu verletzen?

Danke und Alles Gute

Don Furioso

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