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Über die neue Umverteilung

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Sexismus in der FDP und bei den Piraten?


Vor etwa einem Jahr, so eine Journalistin beim Stern, wurde ein prominenter Politiker der FDP sexuell aufdringlich. Nach ihren Aussagen begrabschte er sie während eines freundlichen Treffens von Journalisten und Politikern in einer Hotelbar. Als sie ihn zu Zurückhaltung und Professionalität ermahnte, meinte er nur, er sei doch auch nur ein Mensch. Die Sprecherin, oder vielleicht besser gesagt, Super-Nanny, griff schließlich ein mit einem „Marsch ins Bett“, als handele es sich um ein verantwortungsloses Kind. Der FDP-Politiker ist zwar etwas älter, doch ist Frauenfeindlichkeit keine Sonderbarkeit Älterer. So hatte auch Spiegel Korrespondenting Annett Meiritz über Attacken, diesmal von Seiten
der Piraten zu klagen.

Die FDP reagierte empört. Empört nicht etwa über das Verhalten des (mutmaßlichen, natürlich!) Grabschers, sondern über die Tatsache, dass überhaupt darüber berichtet wurde, und dann auch noch ein Jahr danach. Das finde ich peinlich. Respektieren würde ich ein klares, verbindliches Dementi, oder ein unverbindliches „wir gehen den Anschuldigungen nach und behalten uns den Rechtsweg vor“.
Aber ein kaum kaschiertes „halt Maul“ – wirklich? Das mag taktisch klug sein, erstweilig, aber dazu später. Klug, aber verantwortungslos, weil es auf alten Vorurteilen herumreitet, die längst ausradiert gehören.

Politiker der Liberalen werteten die Anschuldigungen ab als einen Schlag unter die Gürtellinie. Das stimmt, unter der Gürtellinie ist der Tatbestand, soweit er stattfand, sicherlich. Wie immer bei solchen Fällen, auch bei Vergewaltigungsvorwürfen, besteht der allgemeine Konsenz, es könne sich hierbei nur um eine Verschwörung oder einen infamen Racheakt handeln.Damit wird hier PR-mäßig gespielt.

Männern, die gleich mit diesen Mutmaßungen abwehren, als müssten sie ungeprüft für alle Geschlechtsgenossen geradestehen, stelle ich gerne die Frage, ob sie denn ihre eigenen Mütter, Töchter, Schwestern oder Partnerinnen überhaupt lieben.

Wer es im eigenen Umfeld erlebt hat, welchen Demütigungen sich Frauen unterziehen müssen, sobald sie das, was im amerikanischen als „Sexual Harrassment“ oder gar „Sexual Assault“ bezeichnent wird und im Allgemeinen das Ende einer Karriere bedeutet, auch nur flüstern, wer das beobachten durfte, kommt erst gar nicht auf die Idee, reflexartig dunkle, weibliche Machenschaften zu vermuten.
Nebenbei bemerkt, auch Männer sind manchmal Opfer, aber diese äußern sich noch seltener, weil das Stigma der Opferrolle keinem Mannsbild gut steht.

Wohin diese ungesschriebenen Gesetze des Verschweigens und Tolerierens führen, kann man an dem armseeligen Beispiel von Dominique Strauss-Kahn bestaunen. Interessant in diesem Zusammenhang ist natürlich,dass der Tabubruch des öffentlichen Anklagens außerhalb Europas begangen wurde, in New York City. Ohne den Perpwalk der NYC Police hieße der heutige Präsident Frankreichs wohl Dominique. Die Frage, ob dieses Tabu im Interesse der Allgemeinheit steht, muss wohl jeder für sich beantworten. Der Fall Strauss-Kahn, ob er nun vergwaltigt hat, oder nicht, zeigt, dass die Reaktion auf längere Sicht schwach ist. Schwach, weil sie ein ungesundes Klima verstärkt.

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