Das Bauernopfer des Tages – Jérôme Kerviel
Im Januar 2008 meldete die französische Bank Société Générale, auch „Socc Gen“ genannt, einen Handelsverlust von fast 5 Milliarde Euro an, einen Verlust den sie einem einzelnen ihrer Händler in die Schuhe schiebt: Jérôme Kerviel
Seither ist sind beide Parteien im Dauerstreit vor Gericht. Kerviel beteuert, mit dem ausdrücklichen Segen seiner Vorgesetzen gezockt zu haben. Zock Gen, pardon, Socc Gen bestreitet dies und beharrt auf dessen alleinige Verantwortung. Heute, am 24 Oktober, bestätigte ein französisches Berufungsgericht seine alleinige Schuld. Er wurde zu 3 Jahren Haft und zur Zahlung von 4.9 Milliarden Euro verurteilt. Er wurde als waghalsiges, spielsüchtiges Computergenie dargestellt. Das mag alles stimmen – obsessives Verhalten ist notwendig, um in diesem Geschäft erfolgreich zu sein. Solange es gutgeht, werden Trader gefeiert. Geht es schief – und wie in jedem Roulettespiel kommt der Tag garantiert – werden sie gefeuert, bestenfalls. Die Hierarchie bleibt bestehen. Kracht die Bank, steht der Steuerzahler ja bereit. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Peugeot. Der Autohersteller muss für die staatliche Unterstützung Entscheidungsbefugnisse abgeben, oder anders gesagt: Das Unternehmen wird verstaatlicht, mit aller Konsequenz. Warum geht das nicht mit Banken?
Warum ist dieses Urteil für jeden relevant? Es geht jeden etwas an, weil Kerviel mit Derivaten zockte, jenen undurchsichtigen Finanzprodukten, die die heutige globale Depression hervorgerufen haben.Die meisten Derivate (meisten im Sinne des kumulierten Nominalwertes) sind undurchsichtig zum einen, weil ihre Ausstattung bewusst komplex ist, zum anderen weil sie an der Öffentlichkeit vorbei, unterm Ladentisch gehandelt werden. Das Zocken mit Derivaten ist die Ursache dafür, dass Sie, Leser, entweder im Müll nach Nahrung suchen müssen, falls sie in Spanien oder Griechenland leben, oder ihre Ersparnisse wegen Inflation schrumpfen, ihre Steuern bald steigen und Ihre Kinder das Wort Rente nur aus Erzählungen kennen werden, falls Sie in Deutschland leben.
Das Urteil geht auch Sie etwas an, weil mit diesem Bauernurteil verschleiert wird, dass die Architekten dieses Systems ungestört weiter an der globalen Umverteilung basteln können. Dabei ist es egal, ob es sich um eine „Verschwörung“ handelt, oder um simple wildgewordene Gier.
Lesetipp: Wer sich mehr für den Fall Socc Gen interessiert, dem empfehle ich das Buch von Jérôme Kerviel selbst,“L’engrenage – Mémoires d’un trader“ (Das Räderwerk – Erinnerungen eines Traders).