.. und steht im Ausland immernoch als Arschloch da. Beleidigungen, Nazi-Vergleiche, Schuldzuweisungen, als wäre Deutschland, mit seinen Tugenden an dem globalen Finanzkollaps schuld. „Frau Merkel, können wir jetzt endlich die Motoren starten“ fragt The Economist in seinem provokativen Titelblatt. Warum zieht Deutschland immer die Arschkarte?
Wer jetzt erwartet, dass der Rest des Artikels im Calimero-Stil über diese ungerechte Behandlung jammert, sei gewarnt: Das werden Sie hier nicht finden. Auch nicht die vermeintlich entgegengesetzte Meinung werden sie finden. Dass der deutsche Steuerzahler auf ewig eine Lawine aufhalten muss, die nicht aufzuhalten ist. Es ist nur vermeintlich die entgegengesetzte Meinung, als Ablenkung von der Realität. Ob die Menschen in Deutschland oder in Griechenland je über ihre Verhältnisse gelebt haben, ist verglichen mit dem Maße, in dem sich die Banken verzockt haben, nun irrelevant. Das hier ist eine Bankenkrise.
Also, nochmal die Frage: Warum stehen wir immer als Arschloch da? Muss es uns überhaupt kümmern? Wer einen Hinweis auf die erste Frage sucht, muss nur einen Blick auf den offenen Brief der BILD and die „lieben Griechen“ wagen. Wer sich fragt, warum Nazivergleiche sich im Ausland immernoch großer Beliebtheit erfreuen, braucht eigentlich nur den letzten Abschnitt dieses Ergusses zu lesen:
Der Deal war: Ihr bringt endlich Euer Land auf Vordermann und wir helfen Euch über die Durststrecke. Wenn IHR das nicht mehr wollt, wollen WIR auch
nicht mehr. Ihr habt es in der Hand.
Bei Schlagworten wie “Vordermann” und “Durststrecke” bin ich versucht, die Hacken zusammenzuschlagen „Jawoll, mein FF…“
Wenn ich daran denke, dass in Griechenland einige Menschen tatsächlich hungern, wird mir allerdings übel. Etwas dezenter ging es am 5. März 2010 beim Stern zu.
Hier einige Auszüge, verziert mit Kommentaren von Don Furioso:
Offenbar versteht Ihr doch was von Buchführung, denn um die Stabilitätskriterien für den Euro zu erfüllen, habt Ihr Eure Bücher so systematisch und geschickt gefälscht, dass die Brüsseler nichts gemerkt haben. In Wahrheit habt Ihr den Euro nie verdient. Trotz Eurer erschwindelten Daten ist es Euch seit der Einführung des Euro noch nie gelungen, die Stabilitätskriterien zu erfüllen. Um Eure Wirtschaft größer erscheinen zu lassen, habt Ihr Euch 2006 einen hübschen Taschenspielertrick einfallen lassen und kurzerhand die Erlöse aus Geldwäsche, Rauschgifthandel und Schmuggel in die jährliche Wirtschaftsleistung Eurer stolzen Nation eingerechnet.
Nein die Taschenspielertricks kamen aus der Trickkiste von Goldman Sachs. Berlin und Brüssel haben dabei weggesehen.
Ein Körnchen Wahrheit steckt hinter dem folgenden Abschnitt, wenn auch mit dezent braunen Untertönen:
Macht Euch keine Illusionen. Wenn Angela Merkel verspricht, „Griechenland wird nicht allein gelassen“, dann geht es unserer Kanzlerin und uns Deutschen nicht mehr um Euch Griechen. Unsere Sorge gilt allein unserer eigenen Zukunft.
Es geht wohl eher um die Sorgen der Banken. Der Zynismus ist natürlich umwerfend. Ich kann nur hoffen, dass wir nie mehr wieder auf den Marshallplan angewiesen sind. Wow,ob der Autor insgeheim Deutschland hasst?
Das Unglück ist nur: Wir sind an Euch gekettet. Wenn Ihr untergeht, zieht Ihr uns mit unter Wasser. Zum Beispiel durch die 300 Milliarden Schulden, die Ihr mit den Jahren aufgetürmt habt. Rund 30 Milliarden davon gehören den Sparern bei deutschen Banken, in Form von Staatsanleihen.
Ach, hätte der gute Mann es doch nur anders ausgedrückt, etwa so-
Wir sind in unserem Schicksal alle miteinander verbunden. Geht Ihr pleite, verlieren deutsche Sparer ihre Pension. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir alle teilen müssen, um die Kuh gemeinsam vom Eis zu holen.
Der interessanteste Abschnitt:
Und, liebe Bürger Griechenlands, redet Euch nicht damit heraus, Eure Politiker seien allein schuld an der Katastrophe.
Amen, das gilt auch für uns in Deutschland!
Ihr habt doch die Demokratie erfunden und solltet wissen, dass Ihr, das Volk, regiert und damit verantwortlich seid.
Oh Gott, das ist so doof, ich muss mich mal gerade fremdschämen! Bildung auf Googleniveau. Ich weiß nicht, wie das Wörtchen „Sollte“ auf Griechisch klingt. Ich weiß, auf deutsch soll es als dezenter Hinweis auf Besserwissertum rüberkommen. Aus eigener Erfahrung im englischen Sprachraum weiß ich, dass es erschreckend grob und autoritär rüberkommt. Erneut muss ich die Hacken zusammenschlagen.
Niemand zwingt Euch, Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder anzunehmen, gegen jede vernünftige Politik zu streiken und korrupte Politiker zu wählen. Politiker sind Populisten. Die machen genau, was Ihr wollt.
Wo doch jeder weiß, wie ehrlich wir sind! Niemand hat den deutschen Sparer gezwungen, Anleihen zu kaufen, die er nicht versteht. Das gilt übrigens auch für „Garantiezertifikate“ oder „Bonuszertifikate“.
Sicher werdet Ihr jetzt einwenden: Ihr Deutschen, Ihr seid doch auch nicht viel besser.
Jetzt kommt der einzige Abschnitt, der einen Hauch von Intelligenz vermuten lässt:
Stimmt. Ein Rentensystem, dem kaum einer noch traut, Beamtenpensionen, von denen niemand weiß, wie sie in der Zukunft bezahlt werden sollen, ein Steuersystem, das so aussieht, als hätten erfahrene Hinterzieher es sich ausgedacht, und vor allem ein Schuldenberg, der irgendwann ins Rutschen gerät und alles unter sich begräbt – genau diese Probleme haben wir auch. Und Ihr seid uns auf diesem Pfad der Untugend nicht so weit voraus, wie viele glauben. Amen!
Wer immernoch neugierig ist, wie soviel Deutschtümelei, verkrüppelte Empathie und Besserwissertum bei einem nichtdeutschen und nichtgriechischen Normalbürger ankommt, dem empfehle ich diesen Artikel aus einem britischen Blog „Another Angry Voice“:
Die Frage, ob uns das kümmern muss, sollte jeder für sich beantworten.Ich weiß nur eines: Wenn die Widerrede und Empörung zu solchen Artikeln von deutscher Seite zu mager ausfällt, werden uns in Zukunft nicht nur Griechen und Spanier Käse in die Ohren stopfen. Wer sich, nachdem die Banken, mit oder ohne Griechen, zusammengebrochen sind, immernoch Urlaub leisten kann, wird es dann an der Nordsee tun müssen. Oder in einer Gated Community.
Mich beschäftigt diese Frage gerade seit Ausbruch der Krise. Eine Teilantwort habe ich in meinem Artikel zu unserer unvollständigen Vergangenheitsbewältigung versucht. Ich meine, dass uns die Geschichte unserer unehrlichen Entnazifizierung gerade jetzt in den Hintern beißt.
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