Italien gegen Bankster 0:1
Muppet Show
Wir haben es schon eine Weile geahnt, nun haben wir es schriftlich: In den Augen von Goldman Sachs sind alle Kunden nichts anderes als Muppets. Ich kann es kaum erwarten, bis durchsickert, welch unschmeichelhaften Namen JP Morgan für die Kunden ersonnen haben. Die Kunden sind in diesem Fall die Steuerzahler der geprellten Nationen, vertreten von inkompetenten Staatsdienern. Im Januar dieses Jahres verkündete JP Morgan, sie habe ihre italienischen Positionen von $3.4 Milliarden aufgelöst. Was die Bank in Wirklichkeit meinte, ist dass die italienischen Muppets die Rechnung für schiefgegengene Wetten begleichen.
Under The Counter
In der Presse wird immernoch salbungsvoll von „Derivaten“ berichten. Mittlerweile ziehe ich den Begriff „Wette“ vor, weil es die Intention hinter den meisten dieser Geschäfte klarer hervorhebt. Banken gehen ständig Derivatgeschäfte untereinander ein. Das ist völlig in Ordnung, denn sie wissen um die Risiken. Nur wenn Banken Derivatgeschäfte mit Nichtprofis eingehen, und dazu gehören Gemeinden, Länder und Staaten, dann wird eine rote Linie überschritten. Um so schlimmer ist die Tatsache, dass diese Geschäfte im Geheimen ablaufen, was im Finanzjargon ganz prüde als „OTC“ genannt wird.
Plain Vanilla Swaps
Konstruieren wir mal ein einfaches Beispiel zur Illustration. Nehmen wir an, Gemeinde A braucht EUR 10Mio und begibt zur Finanzierung Schuldscheine mit zehnjähriger Laufzeit mit einem Jahreskupon von x%. Bank Goldnase überredet die bräsigen Staatsvertreter dazu, ihr Zinsrisiko zu „hedgen“ . Alleine das Wort klingt toll! Also gehen Gemeinde A und Goldnase einen Plain Vanilla Zinsswap mit 10jähriger Laufzeit ein. Natürlich alles Over-The-Counter, OTC, deutsch: streng geheim, Valuierung undurchsichtig.
Gemeinde A zahlt halbljährlich einen variablen Zins und erhält dafür den begehrten Kupon von x%. Damit ist natürlich nichts gehätscht (ge-hedged). A ist nun für 10 Jahre dem Zinsrisiko ausgesetzt. Steigen die Zinsen, verdient sich die Bank eine goldene Nase. Selbst wenn die Zinsen fallen, hat die Bank „upront“ ein Geschäft gemacht.
Griechenland
Im Jahre 2001 ging der griechische Staat einen komplexen Kreditswap mit Goldman Sachs ein, der dem illustren Bankhaus über Nacht einen Profit von 600 Mio EUR bescherte. Die genaue Formel des Swaps (ja, es bedarf oft mehrzeiliger mathematischer Formeln, um die Modalitäten der Transaktionen zu beschreiben), ganz zu schweigen von ihrer Valuierung, sind bis heute nicht öffentlich – und das aus gutem Grund! Der Vertreter Griechenlands in diesem anrüchigen Geschäft bezeichnete den Deal als eine sexy Story zwischen zwei Sündern. Ziel des Deals war es, die wahren Schulden Griechenlands zu v erschleiern, um einen Beitritt in die Eurozone zu ermöglichen. Der Zinsswap war in Wirklichkeit ein Kredit bei Goldman. Dass dies übliche Praxis war, die sich die Griechen nur bei den Italienern abgeschaut haben, macht es nicht besser.
Wozu Derivate?
Oft werden Derivate eingesetzt, um bestimmte Festpreise zu erzielen, beispielsweise in Form von Futures auf Öl, Optionen auf Zinsen oder Aktien. Viel häufiger jedoch werden Derivate ersonnen, um Fakten zu verschleiern. Verschleiert werden
Preise: Wenn Produkte nicht öffentlich gehandelt werden, müssen komplexe Algorithmen und schwer zugängliche Marktdaten zur Preisfindung herangezogen werden. Wenn das ganze Geschäft bequemerweise auch noch unter dem Siegel des Verschwiegenen ausgehandelt werden, hat der Kunde noch nicht einmal die Chance, Preise zu vergleichen. Die Mathematik dahinter wird dazu missbraucht, um ein Hinterfragen des (Preisfindungs-)Systems zu verhindern – ähnlich wie die Katholische Kirche lange Zeit die Messe in Latein abhielt. Der Bauer wird schon nicht murren, solange der Weihrauch seine Nase umschmeichelt.
Und selbst wenn man bei Begriffen wie Stochastische Prozesse oder stochastischen Differentialgleichungen nicht vor Ehrfurcht erblasst, bleibt die Frage, was diese Modelle mit der Realität zu tun haben. Die Antwort lautet: Nicht viel. Ihre Daseinsberechtigung liegt in ihrer Intransparenz.
Risiken: Schon mal etwas von „Portable Risk“ gehört? Die Idee, dass man Risiken beliebig weiterverkaufen kann, bis man einen Dummen findet, der auf ihm sitzenbleibt (sprich: der Steuerzahler) fand bereits Alan Greenspan ganz toll. So wurden die unsäglichen CDO Kontrakte geboren. Das beste an diesem Konzept ist, dass dank unangepasster Bilanzregelierung Risiken weggezaubert werden. Derivate werden wie eine Art Black Box behandelt, die sich kaum jemand genau ansieht. Griechenland wäre ohne diesen Trick nicht in die Eurozone hineingelassen worden. Mit Hilfe dieser Innovationen wurden Schulden einfach neu verpackt und unter „Ferner Liefen“ verbucht. Das erinnert mich irgendwie an versteckte Kalorien. as Wort „Hedging“ – im Finanzjargon Abschirmung vor Risiko – bedeutet wörtlich Hecke bilden.
Die Idee ist, dass die Hecke Schutz bieten soll. In der Realität jedoch wurden manche Finanzprodukte zum Schutz vor neugierigen Blicken erschaffen. Wenn heute jemand etwas von Hedging faselt, antworte ich nur noch: Hedging indeed – hedging from plain sight!
Wohin geht die Reise?
Komplette Deregulierung, verbunden mit Marktintransparenz hat nicht funktioniert. So sexy Derivate auch wirken mögen, ihre Preisfindung muss öffentlich nachvollziebar sein. Das bedeutet weniger Variation, mehr Standardisierung, ein öffentlicher Markt mit Angebot und Nachfrage, ähnlich wie mit Standardoptionen unt Futures. Keine geheime Absprache zwischen Staatsdienern und Banken: Gegen Verträge muss öffentlich Einspruch erhoben werden können. Wetten auf Konkurs (CDS) gehören in die Hände von Spezialisten, die den gleichen Regulierungen wie Versicherungen unterworfen werden. Es darf nicht sein, dass jemand die Shortposotion eines CDS im Portfolio halten darf, ohne auch die notwendigen Fonds für den Default bereithalten zu müssen (siehe AIG). Warum darf ich nicht ein Papier unterschreiben, womit ich mich gegen monatlicher Gebühr dazu verplichte, im Falle dass mein Nachbar sich das Bein bricht, 1 Million EUR zu zahlen? Wäre es nicht nett, wenn ich so mein Gehalt aufbessern könnte, darauf hoffend, dass der Ernstfall nie eintritt?
Antwort: Weil es irre ist. Warum also wurden CDS in genau dieser Form erlaubt?
Wir sind Alle Muppets
Und weil ich es einfach mag, Bohemian Rhapsody von den Muppets: