Über Privatsphäre, Facebook, arabischer Frühling und Diaspora
Outing als Dinosaurier
Zugegeben – ich bin nicht auf Facebook. Auf Linkedin habe ich bewusst meine Kontakte weggelassen, weil ich der Meinung bin, dass die Öffentlichkeit meine Kontaktliste – ob privat oder beruflich – nichts angeht. Weder will ich mit meinen Bekannten prahlen, noch will ich ihre Informationen preisgeben.
Die Tatsache, dass ich überhaupt zwischen Privateben, Berufsleben und Öffentlichkeit unterscheide, lässt mich wohl ziemlich alt aussehen – buchstäblich. Eric Schmitt und Marc Zuckerberg haben das Ende der Privatsphäre erklärt.
Stalker und Exhibitionisten
Kommentatoren haben Facebook als einen Ort charakterisiert, in dem Stalker auf Exhibitionisten treffen. Vor zwei Jahren durfte ich mit ansehen, wie eine neunzehnjährige regelrecht zusammenbrach, weil sie virtuell von sogenannten Freundinnen gemobbt wurde. Damals dachte ich noch : „Stell das verdammte Ding ab und such dir neue Freunde – Big Fucking Deal! “
Dass aus virtuellem etwas ganz reales entstehen kann, im guten wie im schlechten, ist mir nun klar.
Data Mining
Was mich aber noch mehr von Facebook fernhält, ist der Umstand, dass eine zentrale Stelle meine Vorlieben, meine Marotten, meine Freunde, meine Bilder elektronisch erfasst und ohne meine Zustimmung verwertet.
Aus den Webseiten, die ich besuche, den Menschen, die ich frequentiere, meinen Sprachstil lassen sich auch Dinge rekonstruieren, die ich lieber für mich behalten würde.
Oder ich werde in eine Schublade gesteckt, in die ich nicht hineinpasse. Das bestreben, menschliches Verhalten mithilfe vergangener Daten vorherzusagen, ist alt. Die Schufa tut’s, und tappt manchmal daneben. Amazon versucht es, und tappt bei mir jedesmal daneben. Irgendwie beruhigend.
Die Attraktion der Sozialen Netzwerke
Dennoch lässt mich der Reiz, mich it anderen Menschen über lokale Grenzen hinaus zu verbinden, Ideen auszutauschen, nicht los. Sien ist natürlich nicht neu. Einen Artikel des Economist über den viralen Effekt von Martin Luthers Thesen finde ich recht lesenswert.
(How Luther went viral – The Economist)
Ich frage mich nur: Was wäre passiert, wenn sich die Anhänger Luthers auf Facebook verlassen hätten? Hätten sich die Anhänger des Papstes der Daten Facebooks bemächtigt?
Hätten die Tunesier Twitter und Facebook benutzt, wenn Facebook Headquarters in Tunesien wäre?
Diaspora
Was ich mir wünsche, ist eine dezentrale Alternative zu Facebook, die es mir erlaubt, meine Daten zu kontrollieren. Daher bin sehr neugierig auf das Open Source Projekt Diaspora. Meine Vorhersage für das Jahr 2012: Zukünftige Protestbewegungen werden nicht auf Facebook organisiert, sondern auf auf Diaspora, geschützt vor den Argusaugen derer, die sie verhindern wollen. Zumindest ist es mein Wunsch.